Die Ausbildung oder das Studium beenden, dem eintönigen Job eine Pause gönnen und sich auf Reisen begeben ist ein Trend, der sich in den vergangenen Jahren beständig gehalten und weiterentwickelt hat. So ziehen mittlerweile „Digitale Nomaden“ um die Welt und jobben freiberuflich online am Notebook, auf der Pferde-Ranch oder im Hostel um nur einige Beispiele zu nennen. Oft gilt es dabei Grenzen zu entdecken und Grenzen zu sprengen! So auch bei Martin Schmitt, der vor 15 Jahren Deutschland den Rücken kehrte und über Asien (Philippinen und Thailand) letztlich in Uruguay gelandet ist, wo er nun seit 2003 lebt.
Auch vor seinen Auswanderungsgedanken „streunte“ er um die Welt und verbrachte dank seiner Eltern als Jugendlicher einige Zeit in Rumänien und dem damaligen Jugoslawien zu Zeiten, wo diese Länder keineswegs „mal einfach so“ mit dem Rucksack bereist werden konnten. Mit dem Interrail Ticket reiste er später noch durch nahezu jeden Winkel in Südeuropa. Ratgeber.Reise sprach mit dem Selfmade-Man, der mit seiner Meinung nicht hinter dem Berg hält. Nun hat er nicht nur seine Wurzeln in Uruguay geschlagen, sondern möchte das Land auch einer breiteren Masse vorstellen.
Ratgeber.Reise: Martin, warum bist Du nach all diesen Erlebnissen ausgerechnet in Uruguay gelandet und vor allem dort hängengeblieben?
Martin Schmitt: Das hat vor allem damit zu tun, dass es hier bei der Einwanderung keine faulen Aktionen gibt. In Asien ist das der pure Wahn! Da musst du deinen Pass außer Landes schicken, damit der Stempel drin ist. Das dauert teilweise solange, dass du ihn wenn er zurückkommt gleich wieder lossenden kannst. Und wehe, das Ding geht verloren. Ich war allerdings auch zu einer Zeit dort, als die Welt “in Flammen” stand. 2001 ging es dort mächtig rund. Auf den Philippinen wurde damals die deutsche Familie Wallert verschleppt. Wenn du jeden Tag die Hubschrauber der US-Army über dir siehst, die in die Problemzonen rein sind, dann denkst dir irgendwann: “Nee, es reicht!” Es ist vor allem die Korruption in Asien, die mir nicht gefallen hat. Die gibt’s in Südamerika auch. Aber halt kaum in Uruguay. Für meinen Geschmack geht es hier gemütlich und beschaulich zu: Stress, Staus, Hektik – alles das fehlt. Stell dir vor 3 Millionen Einwohner auf einem Gebiet, das halb so groß wie Deutschland ist. Und davon leben noch knapp 2 Millionen in und um Montevideo. Wenn du keinen Menschen sehen willst, bedarf es nur ein paar Kilometer in das Landesinnere.
Ratgeber.Reise: Welche Episode seit Deinem Uruguay-Aufenthalt ist Dir insbesondere im Gedächtnis geblieben und verleitet Dich noch heute zu einem Kopfschütteln oder Lächeln?
Martin Schmitt: Als mir mein Pferd geklaut wurde. Wir sind dann mit den Motorrädern den Spuren nach. Wie im Wilden Westen. Kam aber nie zum Show Down. Das Pferd blieb verschwunden. Sind halt Dinge, die passieren. Ansonsten kommt aber nicht viel vor.
Ratgeber.Reise: Du lebst in einem für Südamerika „modernen“ Land. Der gegenwärtige Präsident José Mujica hat zum Teil drastische Veränderungen vorgenommen und genießt große Beliebtheit beim Volk, was keineswegs typisch ist. Wohl nicht ganz zu Unrecht ist er bereits zwei Mal für den Friedensnobelpreis nominiert worden – wie siehst Du das?
Martin Schmitt: Na ja. Im Gegensatz zu Obama, der nur viel geredet hat, hat Mujica was getan. Einige der Guantanamo Gefängnisinsassen sind ja jetzt auch in Uruguay. Das mit dem Kiffen ist gewöhnungsbedürftig. Rauchen ist halt überall jetzt möglich – allerdings nicht in Kneipen und öffentlichen Gebäuden. Die Sache hat Mujica allerdings ohne die große Zustimmung seiner Wähler durchgezogen. Es ist bei Weitem nicht alles Gold was glänzt! Jetzt kommt ja wieder ein Altbekannter an die Macht. Tabare Vazquez ist Krebsmediziner. Er hat in seiner ersten Regierungsperiode einen Prozess mit den amerikanischen Zigarettenherstellern angefangen. Er hat noch weitere Ideen auf Lager, mit denen er einigen auf den Schlips treten will. Mal sehen. Ich halte mich aus der Politik raus, obwohl ich interessiert bin. Wenn das Thema hier auf den Tisch kommt, ist das wie in Deutschland. Da geht es rund 🙂
Ratgeber.Reise: Du bist 52 Jahre alt und scheust Dich keineswegs weiterhin neue Wege zu bestreiten: Mittlerweile kennst Du Land, Leute und Sprache und möchtest dieses mit Urlaubern die an Uruguay interessiert sind teilen. Dafür hast Du Informationen auf Deinem Webauftritt uruguay-erleben.de bereitgestellt. Wir haken dennoch nach: Womit denkst Du Urlauber nach Uruguay zu locken und was kannst Du Ihnen anbieten, das begeistert?
Martin Schmitt: Uruguay ist für Europäer eigentlich ein weißer Fleck auf der Karte der interessantesten Urlaubsländer. Ein paar Auswanderer suchen jedes Jahr ihr Glück hier und dazu passieren einige Backpacker auf der Durchfahrt von Brasilien nach Argentinien das Land. Allerdings bleiben in letzter Zeit immer mehr „hängen“. Das hat wohl auch damit zu tun, dass es mittlerweile für die Backpackerbranche ein paar gute Reiseführer auch in e-Book Form gibt. Bis vor wenigen Jahren war Uruguay immer nur ein Anhängsel an den Argentinien-Reiseführern bei einigen Verlagen. Und dabei hat das Land im Grunde einiges zu bieten. Jetzt darf man aber außer den Stränden, die wirklich so schön sind, das selbst die strandverwöhnten Brasilianer ihren Urlaub hier verbringen, nicht erwarten, dass das Land mit geografischen Extremitäten aufwarten kann. Das höchste…, das größte…, etc. – so etwas gibt es hier alles nicht. Dafür trifft der Gast auf Beschaulichkeit, Intimität, Ruhe und eine für Lateinamerika sicherlich einzigartige Lebensart.
Ratgeber.Reise: Wie bist Du auf diese Geschäftsidee gestoßen und wie hast Du Dich darauf vorbereitet?
Martin Schmitt: Nun, ich dachte mir, alle diese Reiseagenturen bieten doch irgendwie faule Eier an. Da schreiben die was von Individualreise und im Grunde stecken da nur Reisebausteine dahinter. Und diese kann kein Urlauber mal einfach austauschen. Das ist einfach eine Tour, die die immer und immer wieder angeboten wird. Und wer die Ziele dieser Touren kennt, der weiß, dass das echte Touri-Anlaufstellen sind. Diese Locations haben wenig einheimisches Flair. Alles auf den Tourismus abgestimmt! Wir besprechen eine Tour vor dem Besuch des Landes ausführlich mit dem Gast via Skype oder Facebook, Telefon oder Mail, sodass wir wirklich ganz individuell das Land bereisen. Wir fahren mit, bzw. chauffieren und organisieren die Unterkünfte für die Gäste, sodass sie die Entdeckungstour voll genießen können. Wir sind sehr flexibel, denn hier und da steht mal ein Volksfest oder eine Gaucho-Festival an und das nehmen wir dann kurzfristig mit. Vorbereiten musste ich mich da weniger. Ich bin 12 Jahre hier und da kennt man sich aus. Außerdem arbeite ich mit von der Regierung zugelassenen Reiseführern hier zusammen. Diese zeigten mir dann noch eigene Geheimecken, die sogar ich noch nicht kannte …
Ratgeber-Reise: Auf der Webseite ist zu lesen: „Wir nehmen uns Zeit für Sie.“ Das klingt nach sehr persönlichen und individuellen Urlaubs-Angebot. Wie viel Zeit sollte ein Urlauber für Dein Angebot mitbringen?
Martin Schmitt: Ja, du hast Recht. Das ist unser Credo. Hetzen bringt wenig. Ich war noch nie ein Fan vom Abhaken von Reisezielen auf einer vorgefertigten Liste während einer Reise. Lieber die ganze Sache auf sich zukommen lassen und dort bleiben wo es einem gefällt. Mit einem Mietwagen ist man komplett unabhängig und kann das Land entdecken. Ohne Guide wird das allerdings etwas schwierig, denn in Uruguay wird fast nur Spanisch gesprochen. Mal abgesehen von Punta del Este, einem Nobelbadeort an der Atlantikküste. Das rührt daher, dass die Uruguayer wenig oder fast gar nicht auf europäische oder amerikanische Gäste angewiesen sind. Zumindest was die Entdeckung des Landes außerhalb von Kreuzfahrtschiffangeboten anbelangt. Aber mal ganz ehrlich: Die Kreuzfahrer entdecken hier nichts. Sie werden von organisierten Touristen-Banden zu drei bestimmten Orten kutschiert, “ausgenommen” und weitergeschickt. Was willst du bei einem Aufenthalt von 6 Stunden schon vom Land sehen? Immerhin legen hier pro Jahr um die 300 Kreuzfahrtschiffe an. Die meisten Besucher kommen allerdings aus den Nachbarländern.
Uruguay lässt sich in einer Woche entdecken, wenn man einen groben Überblick gewinnen will. Die Entfernungen von einem Ziel zum nächsten betragen oft nur 100 bis 300 Kilometer. Die längste Strecke ist ca. 600 km. Dann bist du vom äußersten Süden in den äußersten Norden gefahren. Allerdings lohnt es sich hängenzubleiben und mal etwa hinter die Kulissen zu schauen. Es dauert etwas bis man die Mentalität der Einheimischen verinnerlichen konnte.
Ratgeber.Reise: Bietest Du auch fertige Touren an, die das Land z.B. innerhalb von 2 oder 3 Wochen erforschen lassen?
Martin Schmitt: Ja, ich habe mir überlegt, ob ich das tun soll und bin zu dem Schluss gekommen, dass einige Gäste wohl solche Touren bevorzugen. Meine Touren dauern in der Regel eine Woche und führen je nach Produkt zu den Stränden am Rio de la Plata und am Atlantik, durch das Landesinnere oder wir offerieren eine Kombination aus beiden. Dazu sind ein paar Tage Aufenthalt auf einer Gaucho Estanzia integriert, und wir fahren zu den großen Flüssen Rio Uruguay und Rio Negro. Wie schon gesagt. Wir sind flexibel und so ein Paket kann jederzeit verlängert und abgeändert werden. Der Kunde ist König!
Ratgeber.Reise: Gibt es Angebote für unterschiedliche Budgets und wie sehen diese konkret aus?
Martin Schmitt: Ja sicherlich. Man sollte allerdings wissen, dass Uruguay sehr exklusiv ist. Preiswert ist hier gar nichts. Hier kommen die Stars aus der amerikanischen Unterhaltungsbranche her. Shakira hat ein Haus, der Typ von Matrix war gerade da, Julio Iglesias und sein Sohn, und einige mehr verbringen den Sommer hier. Diese Gäste leben aber ausnahmslos rund um Punta del Este und Jose Ignacio. Da herrschen dann auch Verhältnisse wie in Monaco oder Nizza. Ansonsten gibt es da schon ganz andere Möglichkeiten. Wir haben Exklusiv-Touren im Programm, in denen in First Class Unterkünften Uruguay genossen wird, und auch Touren für weniger gut Betuchte bieten wir.
Einer unserer Knüller ist die Ferienhaustour! Die Uruguayer lieben es ihren Urlaub in Ferienhäusern zu verbringen. Dabei fahren wir durch das Land und übernachten an sehenswerten Orten in schnuckeligen Ferienhäusern. Wer campen will, kann das auch tun. Eine Tango-Tour 3 Tage Montevideo und 3 Tage Buenos Aires steht inklusive Tango Kurs und Tanzabenden ebenfalls im Programm. Außerdem gehen wir auch auf die Wünsche von Damen bei den Frauentouren ein und haben Seniorenreisen im Programm. Dort geht dann alles noch etwas langsamer. 😉
Ratgeber.Reise: Welche Stationen sollte ein Uruguay-Urlauber dabei auf jeden Fall gesehen haben?
Martin Schmitt: Ich gebe mal ein paar Stichpunkte an: Montevideo, Colonia de Sacramento, die Costa de oro, Piriapolis, Punta del Este, auf jeden Fall Cabo Polonio und die Festungsbauwerke im Nationalpark Santa Teresa. Im Landesinneren eine Gaucho Estanzia besuchen und im Freiluftmuseum in San Gregorio de Polanco stoppen. Dann zum Nationalparkt Estereos de Farrapos und am Rio Uruguay entlang. Wer will kann auch noch ganz im Norden die Achat- und Ametyst-Minen besuchen.
Ratgeber.Reise: Worauf sollten sich Urlauber einstellen, wenn Sie Dein Angebot annehmen und nach Uruguay reisen, aber zuvor noch nie Südamerika waren?
Martin Schmitt: Eigentlich auf nicht viel. Das Land und die Kultur haben einen europäischen Touch. Außer halt die Gauchos. Das ist dann doch etwas Anderes. Am besten einfach ein wenig auf meiner Webseite reinlesen und dann hat man schon einen guten Überblick. Besondere Impfungen braucht man nicht. Und wie das mit den Formalitäten, dem Geldwechseln, der Sicherheit (eines der sichersten Länder in Amerika, inklusive der USA) und anderen Punkten aussieht, erkläre ich bei persönlichen Gesprächen.
Ratgeber.Reise: … und welche Monate würdest Du empfehlen?
Martin Schmitt: Die beste Reisezeit ist von Mitte Oktober bis Weihnachten, dann ist Hochsaison. In der sollte man nur mit einer Reservation kommen. Dann wieder von Mitte Februar bis Ende Mai. Aber auch der Winter hat seine schönen Seiten. Pinguine live am Strand und 15 m große Wale, die ihre Jungen aufziehen. Das kann man nur im Winter erleben.
Ratgeber.Reise: Für Dein spezielles Angebot an Uruguay-Urlauber wünschen wir Dir maximales Gelingen. Die abschließende Frage: Und mit welchen drei charakterisierenden Worten würdest Du das Land schmackhaft machen?
Martin Schmitt: Gemütlich, charmant und beschaulich – noch ein viertes Attribut – schmackhaft – vor allem, wenn man auf Fleisch steht. 🙂
Ratgeber.Reise: Ja, vierte Punkt trifft aber auf viele südamerikanische Länder zu 😉 Vielen Dank für das Interview!